Das deutsche Wort Jurte stammt aus dem türkischen jurt, was so viel wie Zelt, Lagerplatz, Land, Heimat oder Wohnort bedeutet. Die Jurte ist die übliche Unterkunft nomadisierender Völker, sie ist gleichzeitig Haus und Heimat. Wie in der deutschen Sprache die Wörter Heim und Heimat untrennbar miteinander verbunden sind, so bedeutet auch Jurte beides für die Nomaden. Im Mongolischen heißt Jurte ger. Chinesische Quellen berichten zum ersten Mal im 6. Jh. n. Chr. über Jurten bei Nomaden. Es ist anzunehmen, dass die Jurte auf eine über 2000-jährige Entwicklungsgeschichte zurückblickt. Sie ist nicht nur die traditionelle Behausung der Mongolen, sondern auch der nomadisch lebenden Völker in Mittelasien, Südsibirien und nördlich der Großen Mauer. Jurten bieten vor allem da, wo sie in malerischer Landschaft stehen, mit ihren weißen Leinenüberzügen einen äußerst ästhetischen Anblick.
Die Konstruktion der Jurte ist ebenso einfach, wie genial. Aus biegsamem Holz gefertigte Scherengitter, deren einzelne Streben nicht mit Nägeln, sondern mit Lederstreifen zusammengehalten werden, bilden die Jurtenwand, die in jüngster Zeit oft auf einem Holzfußboden sitzt. Die Latten lassen sich scherenartig zusammendrücken und nehmen beim Transport nur wenig Platz ein. Stellt man eine Jurte auf, so zieht man die Gitter kreisförmig auseinander und lässt nur für den Türrahmen Platz. Man befestigt die stehenden Lattengitter mit Schnüren. Der Durchmesser der Jurte richtet sich nach der Zahl der verwendeten Scherengitter. Die einfach gehaltene, alltägliche mongolische Jurte besteht aus vier Scherengittern.
Abhängig vom Durchmesser der Jurte erhebt sich genau in der Mitte der Jurte auf zwei etwa 2 bis 3 m hohen Säulen der Dachkranz. Sein Durchmesser beträgt 1, bis 2 m. Am äußeren Rand sind quadratische Öffnungen eingearbeitet. Im Zentrum des Dachkranzes ist ein Seil befestigt, das nur von Bedeutung ist, wenn die Jurte bei Sturm einzustürzen droht. Dann wird an diesem Seil etwas Schweres, z. B. ein großer Stein, ein Sack Mehl, eine Holztruhe oder ähnliches, befestigt und der Jurte dadurch zusätzliche Stabilität verliehen.
Die Verbindung zwischen dem Scherengitter und dem Dachkranz bilden Dachstangen. Sie werden bei der Montage oben in die Aufnahmeöffnungen des Dachkranzes geschoben und unten mit Lederriemen mit dem Scherengitter verzurrt. Die Zahl der Dachstangen hängt von der Anzahl der Scherengitter ab. Der Steigungswinkel beträgt ca. 30°. Mittelalterliche Zeichnungen stellen die Jurten z. T. mit wesentlich steilerem Dachwinkel dar. Solche Spitzdachjurten haben sich bis heute bei den Kirgisen gehalten, sie trotzen aber dem Wind wesentlich schlechter als die flachen Jurten der Mongolen. Jede Jurte ist also ein Kompromiss zwischen dem Wunsch nach viel Wohnraum und der Notwendigkeit, dem Wind trotzen zu müssen. Die Regel ist ganz einfach: je größer die Jurte wird, desto schwieriger ist sie zu stabilisieren und im Winter auch zu heizen.
Eingelassen in die Jurtenwand ist eine gerahmte Holztür, die immer nach Süden schaut. Der Türrahmen wird mit zwei Anschlussgittern fest verbunden und um die im Kreis stehenden Gitterwände werden nochmals zwei Seile zur Stabilisierung gezogen. Früher bildete die Türöffnung nur ein dickes Stück Filz. Auch auf dem Türrahmen liegen Dachstangen auf.
Über das auf diese Weise entstandene stabile und dennoch elastische Holzgerüst werden Filzmatten gespannt und je zwei Kamelhaarseilen umschnürt. Bisweilen wird auch erst, um den grauen Filz zu verdecken, dünner Leinenstoff darüber gezogen. Eine Lage Filz ist etwa 1-2 cm dick und hat die Isolierfähigkeit einer 6 cm dicken Ziegelwand. Im Winter werden über die Jurte 3 oder gar 4 Lagen Filz gespannt.
Im Sommer werden die Jurten nur mit einer Lage Filz belegt und die unteren Ränder hochgeschlagen, damit der Wind durch die Jurte streifen kann und so ein angenehmes Raumklima entsteht. Im Winter wird am unteren, äußeren Rand des mehrmaligen Filzüberzugs noch ein zusätzlicher Abschluss zur Erde aus Holz, Sackleinen oder anderen Materialien befestigt. Solange der Jurtenofen geheizt wird, herrscht in der Jurte eine angenehme Wärme, die freilich alsbald nachlässt, wenn das Feuer erlischt.
Die äußere Hülle der Jurte bilden heute Leinenstoffe, die ansonsten zur Herstellung von Zelten oder Lastwagenplanen dienen. Sie lassen sich leicht waschen und schützen den Filz zusätzlich vor Regen. Das Ganze wird außen mit aus Pferde- und Yakhaaren geflochtenen Seilen fest verzurrt. Über den Dachkranz wird ein weiteres in Leinen eingeschlagenes Filzstück gezogen, mit dem in der Nacht oder bei Regen die Dachöffnung geschlossen werden kann. Tagsüber wird der Bezug in Dreiecksform zurückgezogen. Mitunter werden die Jurten heute an der Innenseite der Wand auch noch einmal mit Stoff verkleidet, das die Scherengitter verdeckt.
Die wichtigste Einrichtung in einer mongolischen Jurte ist der Herd. Früher bestand er aus einem Drei- oder Vierfuß, dessen Eisenfüße durch zwei Eisenreifen zusammengehalten wurden. Heute wird ein runder Blechherd mit Rauchrohr verwendet. Ersteht auf vier Füßen oder einfach auch auf Steinen, hat eine kleine Tür, durch die man das Brennmaterial einlegen kann, und besitzt ein Rohr, das durch den Dachkranz nach draußen ragt, ohne dass das Rohr das Holz oder den Filz berührt. Dieser Herd hält die Wärme viel besser und es lässt sich auch einfacher auf ihm kochen. Allerdings kann von oben die Kälte in die Jurte ziehen, da der Dachkranz nicht ganz dicht gemacht werden kann. Die Rauchöffnung dient den Mongolen auch als Sonnenuhr. Ein Mongole weiß genau, um wieviel Uhr ein Sonnenstrahl auf eine bestimmte Stelle fällt.
Die Hauptachse in der mongolischen Jurte weist nach Süden, das heißt, das Gesicht des Betrachters ist nach Süden gerichtet. Das bedeutet, dass rechts und Westen, links und Osten, hinten und Norden sowie vorn und Süden identisch sind. In der mongolischen Sprache gibt es für die Begriffspaare nur ein Wort. So ist links und Osten ein Wort und rechts und Westen.
Die linke Seite in einer Jurte ist die Seite der Frauen, des Haushaltes und der Familie; die rechte Seite ist die Seite der Männer und die hintere Seite die Ehrenseite. Die mittlere Seite ist für den Alltag bestimmt und die vordere, gleich neben der Tür, für die Arbeit, für nicht geehrte Leute, Tiere und Gegenstände. Der älteste Gast hat seinen Platz immer auf der rechten hinteren Seite. Dies ist der Ehrenplatz für männliche Besucher, die alle nach ihrem Alter gesetzt werden und nicht nach Rang in unserem Sinne. Eine geehrte Besucherin wird auf die linke Seite nach hinten gesetzt. Jüngere Mädchen sitzen neben der Tür auf der linken Seite.
Häufig sind die Innenwände einer Jurte mit Stoffen behängt, und aus dem Boden sind Tierfelle oder Filzteppiche ausgebreitet.
Eine Jurte kann von einer 4- bis 6-köpfigen Familie in deutlich weniger als einer Stunde zerlegt und auch wieder aufgebaut werden. Die Jurte selbst passt auf 2 Kamele.
Ältere Mongolen ziehen bis heute ein Leben in der Jurte dem in Steinhäusern vor. Dass die Jurte auch in den Städten noch lange nicht ausgedient hat, beweist die Tatsache, dass über 50 Prozent der Mongolen nach wie vor in Jurten wohnen.